Derzeit steht die Fußball-Weltmeisterschaft im Focus der Medien – allerdings nicht nur des Sportes wegen.
Die WM in Katar steht schon seit Jahren in Kritik, Korruptionsvorwürfe gab es von Anfang an. Auch über den Bau der Stadien in dem Emirat wurde viel geschrieben und berichtet.
Diese wurden nicht von Kataris erbaut, sondern von tausenden Wanderarbeitern vor allem aus Nepal und Indien, die unter arbeitsrechtlich – sagen wir mal höflich – sehr bedenklichen Bedingungen wirkten.
Dabei kamen auch viele der Arbeiter um’s Leben. Während die FIFA drei Todesopfer bedauert, sprach Amnesty-International von über 15.000. Die Wahrheit scheint etwa in der Mitte zu liegen, je nachdem, ob man alleine den Bau der Stadien zählt oder den Bau der ganzen dazugehörigen Infrastruktur. Auch starben viele Arbeiter offenbar aufgrund gesundheitlicher Probleme aufgrund ihrer Arbeit.
Neben den skandalösen Bedingungen auf den Baustellen, dazu den Korruptionsvorwürfe bei der Vergabe der WM und auch der Verschiebung des Turniers in die Weihnachtszeit, ist aber natürlich auch die Frage nach den Menschenrechten dominant. Die Gleichberechtigung von Frauen existiert so gut wie gar nicht. Und zudem ist Homosexualität in dem Emirat verboten. Der „Equality Index“ berichtet, dass nicht-Musline in Katar mit einer Gefängnisstrafe von bis zu sieben Jahren rechnen müssen, Muslimen droht sogar die Steinigung oder andere Todesstrafen.
Es gibt auch eine strenge Zensur, was die Verbreitung von LGBT-Themen betrifft. Bereits die Thematisierung von Homosexualität kann zu einer Gefängnisstrafe führen.
Wurde im Vorfeld der WM eine Lockerung der Bestimmungen versprochen, wurde dies aber zuletzt wieder zurück genommen.
Und wer vielleicht doch etwas Hoffnung gehabt haben könnte, dass diese harte Linie vielleicht gelockert wird, wurde erst kürzlich in einem ZDF-Interview von dem katarischen WM-Botschafter und früheren Fußball-Nationalspieler Khalid Salman auf den Boden der Tatsachen zurück geholt. Unverhohlen sagte er, Homosexualität sei „haram, eine Sünde“ sowie – so wörtlich – „ein geistiger Schaden“.
Ein letzter Tropfen brachte dann das Fass zum Überlaufen, als die „One-Love-Binde“ während der Spiele verboten wurde. Auf diese hatten sich die Fußball-Nationen Deutschland, England, Die Niederlanden, Belgien, die Schweiz, Wales und Frankreich und außerdem die dann doch nicht qualifizierten Schweden und Norweger verständigt.
Die FIFA setzte die jeweiligen Verbände so sehr unter Druck, dass sie einknickten. Welche Strafen genau bei einer Zuwiderhaltung verhängt worden wären, darüber gibt es keine ganz genauen Aussagen, aber sie schienen gewirkt zu haben.
Gestern nun trat die Deutsche Mannschaft gegen Japan an – aus sportlicher Hinsicht wenig erfolgreich, da man mit 1:2 unterlag. Vor dem Spiel gab es aber ein Gruppenfoto, auf dem sich alle Spieler und auch das Team auf der Bank provokant die Münder zuhielten. Damit wies man auf die offensichtliche Zensur seitens (auch) der FIFA hin.
Viele Menschen haben für sich persönlich entschieden, die WM durch Nicht-Schauen zu boykottieren.
Gestern erreicht das Deutsche Spiel noch nicht mal die 10-Millionen-Marke, die zwar für das Nachmittags-Programm hoch erscheinen mag, nicht aber für das Interesse an einer Fußball-WM.
Wobei man bei dem Boykott aber unterscheiden muss, ob es jemand tut, der ohnehin nicht geschaut hätte oder ob jemand sich dafür entscheidet, dessen Fußball-Herz dabei blutet.
Sicher sind besonders die verschiedenen queeren Fußball-Fanclubs derzeit in einer Zwickmühle, die sich seit Jahren für LGBT-Rechte im Profifußball einsetzen und nun mit der WM in Katar konfrontiert werden.
Darüber wollten wir sprechen mit Sven Kistner vom Netzwerk QUEER FOOTBALL FANCLUBS. Wir sprachen schon einmal im Februar 2021 mit ihm und freuten uns, ihn rneut begrüßen zu dürfen.
Hier das Gespräch vom 24.11.2022
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